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Ein Tischler aus Thüringen zeigt, wie attraktiv das Handwerk ist.

Er hat für die Anna Amalia Bibliothek gearbeitet und für das Schiller-Museum, er baut individuelle Designertische und Regale nach Maß – der Tischlermeister Jens Zöllner aus Erfurt ist ein Perfektionist. Weil man davon inzwischen auch in Lübeck und München gehört hat, ist der Thüringer in ganz Deutschland unterwegs. Schließlich hat er einen Standortvorteil: Erfurts Lage in der Mitte der Republik. 

Die Werkstatt von Jens Zöllner am Stadtrand von Erfurt wirkt beinahe idyllisch an diesem heißen Sommermorgen. Das Sonnenlicht taucht alles in eine freundliche Atmosphäre, die Maschinen stehen still. Sommerloch? „Nein, keinesfalls“, sagt Zöllner, „meine Leute sind auf Außenterminen. Das Geschäft läuft sogar so gut, dass meine Kunden ab und an ein wenig warten müssen.“

Das war nicht immer so. Vor 14 Jahren, als Zöllner seinen Betrieb gründete, tat er es eher aus der Not heraus. "Damals gab es ein Überangebot an Tischlern, und als Meister eine Anstellung zu finden, war fast unmöglich." Inzwischen habe sich das total gedreht, die Nachfrage sei enorm, viele Thüringer Betriebe suchten Fachkräfte. Und so ist der Einmannbetrieb inzwischen gewachsen, der 48-Jährige beschäftigt sechs Angestellte, darunter zwei Auszubildende.

Zöllner ist auf Ladenbau spezialisiert, tischlert Empfangstresen, Ladentheken, Regale. Ein Höhepunkt in seiner Laufbahn, sagt er, sei der Einbau von neuen Regalen in der weltberühmten Anna Amalia Bibliothek in Weimar gewesen, die nach einem Brand aufwendig renoviert werden musste. Es blieb nicht der einzige Job, den er in der Geburtsstadt der Deutschen Klassik erledigte: Gerade erst hat Zöllner mit seinem Team die Arbeiten an dem neuen Museumsshop in Friedrich Schillers Wohnhaus abgeschlossen.  Aber auch Privatleute kommen für maßgerechte Anfertigungen zu Zöllner. "Ich verstehe mich als Dienstleister", sagt er, "der im Gespräch mit den Kunden genau herausarbeitet, was sie wollen und wirklich brauchen."

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Zöllners guter Ruf reicht längst über die Grenzen Thüringens hinaus: „Auch wenn wir die meisten Aufträge im Freistaat haben, sind wir doch immer wieder in ganz Deutschland unterwegs, haben schon Jobs von Lübeck bis München erledigt. Dabei kommt uns die hervorragende Lage Erfurts in der Mitte Deutschlands zugute.“

Die Lage und Attraktivität der Thüringer Landeshauptstadt hilft ihm auch in anderer Hinsicht: „Ich weiß, dass viele Kollegen, vor allem in ländlichen Regionen, Probleme haben, Mitarbeiter zu finden, gerade Auszubildende. In Erfurt sieht das zum Glück anders aus.“ Ist der Beruf des Tischlers vielleicht nicht attraktiv genug für die Generation Z? „Ich weiß, dass für viele Jüngere das Handwerk nicht gerade sexy ist, aber das Gegenteil ist der Fall“, sagt Zöllner, und in seinen Augen blitzt etwas auf. „Mit seinen eigenen Händen geile Sachen herzustellen, das ist einfach eine tolle Erfahrung.“ Der Beruf des Tischlers habe einen etwas angestaubten Ruf, dabei sei er auch für technikaffine Menschen interessant, weil verstärkt moderne computergesteuerte Maschinen zum Einsatz kämen: „Die Zeiten von Meister Eder und Pumuckl sind vorbei.“ Tischler, so Zöllner weiter, sei ein attraktiver Beruf, der einen jeden Tag vor neue Herausforderungen stelle und viel Kreativität verlange.

„Die Zeiten von Meister Eder und Pumuckl sind vorbei."

Einer, der sich vor vier Jahren diesen Herausforderungen stellte, ist Marcell Toth. Der heute 29-Jährige kam aus der ungarischen Hauptstadt Budapest nach Thüringen, der Liebe wegen. Er hatte eine Frau aus Deutschland kennengelernt, die seine große Leidenschaft teilte: Beachvolleyball. Die beiden beschlossen, sich ein gemeinsames Leben in Erfurt aufzubauen. Und Toth suchte einen Job, der ihn ausfüllte. In Ungarn hatte er Management studiert, aber Büroarbeit, das war nichts für ihn, das spürte er schnell. Und so bewarb er sich um eine Stelle als Lehrling bei Jens Zöllner. Er wurde genommen, bekam 2018 seinen Gesellenbrief und plant jetzt, seine Meisterausbildung zu beginnen – „ein Glücksfall fürs Handwerk“, sagt Zöllner dazu und lächelt verschmitzt. Als Glücksfall für Toth stellte sich der Umzug nach Thüringen heraus. Auch wenn die Liebe nicht von Dauer war: Toth ist längst überzeugter Erfurter: „Ich arbeite in einem tollen Job, habe schnell Freunde und viele Möglichkeiten gefunden, etwas zu unternehmen, Sport zu machen, aktiv zu bleiben. Es ist wie eine zweite Heimat.“

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Anders als für seinen Angestellten, war für Jens Zöllner Thüringen immer schon sein Zuhause: Er wuchs in Arnstadt auf, rund 20 Kilometer südwestlich von Erfurt – ein Ort, zu dem er heute noch eine starke Verbindung hat. „Na klar komme ich oft nach Arnstadt“, sagt er, „hier leben Freunde und Familie. Außerdem ist Arnstadt die älteste Stadt Thüringens, hat einen wunderschönen historischen Stadtkern und ist das Tor zum Thüringer Wald.“ Dass man Jens Zöllner am Wochenende aber zumindest zu gewissen Zeiten häufiger in Erfurt als in Arnstadt antrifft, hat einen ganz besonderen Grund: Er ist glühender Fan von Borussia Dortmund und Mitglied des hiesigen Fanclubs, der sich an Spieltagen in einem Pub am Erfurter Hirschgarten trifft. Und für 90 Minuten liegt der Mittelpunkt von Zöllners Welt nicht in Thüringen, sondern in Nordrhein-Westfalen.

Veröffentlicht am:
30.11.2021