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Lelia König: Studienplatz gesucht. Heimat gefunden.

Vor drei Jahren stellte Lelia König ihr Leben auf den Kopf und zog von Baden-Württemberg nach Thüringen. Weil sie hier studieren konnte, was sie wollte, und ideale Bedingungen für ihre größte Leidenschaft vorfand: Mountainbiken. Fast nebenbei gründete sie ein Start-up – und ließ sich selbst von einer bedrohlichen Krankheit nicht aus der Bahn werfen.

Im Radsport gibt es ein geflügeltes Wort: „You have to slow down, to speed up“, was auf Deutsch soviel heißt wie: „Um richtig schnell zu werden, muss du erst einmal langsamer werden.“ Eigentlich meint das, dass Radfahrer im Training lange und langsame Einheiten fahren müssen, die sie später schneller machen. Doch für Lelia König hat dieses geflügelte Wort noch eine weitere, wesentlich existenziellere Bedeutung. Aber dazu später mehr. 

Ursprünglich kommt Lelia aus dem baden-württembergischen Albstadt, gelegen zwischen Stuttgart und dem Bodensee. Dort hatte sie zunächst etwas richtig Solides gemacht: eine Lehre als Bankkauffrau. Doch schon bald merkte die heute 25-Jährige: Das kann nicht alles gewesen sein. „Ich wollte immer schon mehr als alle anderen, das hat mich stärker von meinen Mitschülerinnen unterschieden als meine dunklere Hautfarbe“, sagt sie. „Ich hatte immer schon den Kopf voller Träume.“ Irgendwann wurde ihr klar, dass sie ihre Träume in Albstadt nicht verwirklichen kann, und sie begann, nach Alternativen zu suchen.

"Jena war die richtige Wahl."

Lelia König

Sportmanagement wollte sie studieren, ein Studiengang, der an nur vier deutschen Universitäten angeboten wird. Ihr Ziel: später ein eigenes Radteam aufzubauen, am liebsten mit einer Abteilung Rennrad und einer Abteilung Mountainbike. Ein Team, das gezielte Nachwuchsförderung betreibt, um mehr Kinder und Frauen fürs Fahrradfahren zu begeistern. 

 „Jena war nicht meine erste Wahl, das war Bayreuth“, sagt Lelia. „Aber es war die richtige Wahl.“ Weil die Menschen, mit denen sie während der Bewerbung zu tun hatte, so offen und hilfsbereit waren, aber auch weil sie hier Zeit und Voraussetzungen fand, sich ausgiebig ihrer größten Leidenschaft zu widmen: dem Mountainbiken. Für Lelia ist das mehr als ein Hobby, sie ist – wie auch ihr Lebensgefährte Sandro – Lizenzsportlerin. Das ist kurz gesagt ein Zwischending zwischen Amateur und Profi: mit rund 50 Stunden Training im Monat und während der Saison Rennen an fast jedem Wochenende. 

In Thüringen fand sie beste Bedingungen für ihren Sport vor, sagt Lelia, die vergangenes Jahr auch für das Team Thüringen beim Jedermann-Rennen im Rahmen der Deutschlandtour startete, das rund um Erfurt führte: „Sowohl für Mountainbiker als auch für Rennradfahrer ist Thüringen optimal. Allein um Jena herum kann ich eine rund 100 Kilometer lange Schleife fast ausschließlich auf Fahrradwegen fahren. Die Radwege hier sind fantastisch ausgebaut, deshalb fühle ich mich wesentlich sicherer beim Fahren als anderswo.“

„In der Thüringer Gründerszene helfen sich die Menschen.“

Lelia König

Sicherheit ist ein enorm wichtiges Thema für Radfahrer, ob im Alltag oder im Wettkampf. Lelia ist froh, dass es inzwischen eine gesetzliche Regel gibt, die für Autofahrer beim Überholen einen Mindestabstand von 1,5 Metern innerorts und zwei Metern außerorts festlegt. Doch sie weiß auch: „Allzu häufig werden diese Abstände nicht eingehalten, und dann wird es gefährlich. Mein Freund und ich hatten schon einige Beinaheunfälle deswegen.“

Durch diese Erfahrungen kamen die beiden auf eine Geschäftsidee und gründeten 2018 das Start-up Dashbike. Unter diesem Namen vermarkten sie eine Kombination aus Licht und bewegungsaktivierter Kamera, die aufnimmt, wenn ein Auto einem Fahrrad unerlaubt nah kommt. „Im Herbst wollen wir mit dem Verkauf starten“, sagt Lelia. „Wir“, das sind neben ihr und ihrem Freund noch Sandros Bruder, Architekt, und Lelias Onkel, Informatiker, dazu zwei studentische Aushilfen. Lelia ist optimistisch, dass sie schnell wachsen werden, dafür spricht auch das Feedback, das sie aus der Thüringer Start-up-Szene bei Gründerwettbewerben bekommen haben. „Viele fanden unsere Idee gut, und wir haben hier extrem gute Unterstützung bekommen. In der Thüringer Gründerszene helfen sich die Menschen, ohne gleich auf ihren Vorteil aus zu sein.“

Mehr als 12.000 Follower auf Instagram

Mehr ein Hobby sind die Onlineaktivitäten Lelias, auf ihrer Website finden Fahrradfans aktuelle Reportagen von Training und Rennen, bei Instagram folgen ihr mehr als 12.000 Menschen. Ein bisschen Geld verdient sie, wenn sie Produkte rund ums Biken vorstellt, Influencerin will sie aber nicht sein. Miss.lk.sunshine heißt sie bei Instagram, nach einem ihrer Lieblingsfilme, der Hollywood-Tragikomödie „Little Miss Sunshine“. „Wie Olive, die Heldin des Films, glaube ich einfach daran, alles erreichen zu können, was ich mir vornehme“, sagt Lelia, die vergangenes Jahr übrigens wie Olive an einem Schönheitswettbewerb teilnahm: „Ich habe mich für Miss Germany beworben und bin als eine von 10 Thüringerinnen in den Vorentscheid gegangen. Dort war dann zwar Schluss für mich, aber es war eine superspannende Erfahrung, auch weil ich gemerkt habe, dass das nicht meine Welt ist, weil es immer noch sehr viel um Äußerlichkeiten geht.“

Für Lelia ist die Coronakrise auch eine Chance.

Auch eine Frau wie Lelia, die meist auf der Sonnenseite steht, muss manchmal Rückschläge hinnehmen. Für sie begann die schwerste Zeit ihres Lebens vor zwei Jahren. Sie fühlte sich plötzlich schwach und abgekämpft, kam kaum noch die Treppen zu ihrer Wohnung im fünften Stock hoch, das Training wurde zur Qual. Nach langen Monaten endlich der Ungewissheit diagnostizierten die Ärzte das Pfeiffersche Drüsenfieber, eine bei Sportlern weit verbreitete Viruskrankheit, die zu Symptomen wie Atemnot, Schwindel und totaler Erschöpfung führen kann. Für Lelia, die ihr Leben lang auf der Überholspur unterwegs war, fühlte es sich an wie eine Vollbremsung. „In solchen Situationen zweifelt man alles an. Vor allem, wenn man erschöpft auf dem Sofa liegt und auf Social Media sieht, wie die anderen trainieren, weiterkommen, Wettkämpfe bestreiten. Aber für mich war immer klar: Ich komme da durch und werde nicht aufhören zu tun, was ich liebe: das Mountainbiken.“ 

Fast schon bittere Ironie: Kaum hat Lelia ihren eigenen Kampf gegen die Krankheit gewonnen, befindet sich die ganze Welt in einem neuen Kampf. Das Coronavirus macht Wettkämpfe bis auf Weiteres unmöglich: „Die Situation ist natürlich beunruhigend und gerade für viele Radsportler sogar existenzbedrohend. Aber für mich ist das, auch wenn es blöd klingt, eigentlich ein Vorteil, denn jetzt kann ich den Trainingsrückstand aufholen.“ Da ist sie wieder, die Miss Sunshine, die auch in den schwierigsten Situationen immer das Positive sieht und aus jeder Krise gestärkt hervorkommt.

Veröffentlicht am:
22.09.2021