
O du fröhliche: Berühmte Weihnachtslieder aus Thüringen
Steht man zur Weihnachtszeit – vielleicht nach einem Bummel über den historischen Weihnachtsmarkt – vor dem Rathaus in Weimar, dann ist man schnell in Weihnachtsstimmung. Denn zu jeder vollen Stunde ertönen hier vom Turm herunter Weihnachtlieder, gespielt von einem Glockenspiel aus Porzellan. Mehr als 30 Lieder sind im Repertoire. Und viele dieser zum Teil weltweit bekannten Lieder sind maßgeblich von Thüringen geprägt – darunter auch so beliebte Weihnachtslieder wie „O du fröhliche“, „O Tannenbaum“, „Alle Jahre wieder“ und „Es ist ein Ros’ entsprungen“.
„O du fröhliche“: vom sizilianischen Fischerlied zum festlichsten aller Weihnachtslieder
Das wohl festlichste aller Weihnachtslieder wurde 1816 vom Pädagogen und Schriftsteller Johannes Daniel Falk in Weimar geschrieben. Vorangegangen war eine traurige, aber auch weihnachtliche Geschichte:
Während der napoleonischen Besatzung hatte Falk vier seiner sieben Kinder an Typhus verloren. Als dann in einer Winternacht des Kriegsjahres 1813 ein elternloses Kind an seine Tür klopfte, nahm der Privatgelehrte dieses auf und gründete daraufhin die „Gesellschaft der Freunde in der Not“. Bis zu 30 durch den Krieg zu Waisen gewordene Kinder fanden hier eine neue Heimat. Falk vermittelte sie in Pflegefamilien und unterrichtete sie in seiner Sonntagsschule.
„O du fröhliche“ schrieb er für „seine“ Waisenkinder. Die Melodie zu seinen Versen lieh er sich bei dem sizilianischen Fischerlied „O sanctissima“. Schon im 19. Jahrhundert wurde „O du fröhliche“ weit über Thüringen hinaus bekannt und in viele Sprachen übersetzt, etwa ins Englische, wo es unter dem Titel „Oh how joyfully“ bekannt ist.
„O Tannenbaum“: vom Liebes- zum Weihnachtslied
Eine weitere Berühmtheit unter den Weihnachtsliedern mit thüringischen Wurzeln ist „O Tannenbaum“. In den unterschiedlichsten Interpretationen und Sprachen erklingt es auf der ganzen Welt – und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Im amerikanischen Bundesstaat Maryland wurde die eingängige Melodie gar zur Landeshymne. Und die Fans des englischen Fußballvereins FC Chelsea erkoren „O Tannenbaum“ – natürlich mit neuem Text – zu ihrer Vereinshymne „We’ll Keep the Blue Flag Flying High“.
Dass das Lied ein solcher Erfolg wurde, verdankt die Welt dem Talent des Thüringer Pfarrerssohns Ernst Anschütz. Der Theologe aus Goldlauter bei Suhl war 1824 bei den Vorbereitungen für das Weihnachtsfest auf der Suche nach einem Lied, das mit einer eingängigen Melodie auch den Kindern gefallen könnte.
Anschütz durchstöberte alte Lied-Archive und stieß dabei auf das Stück „O Tannenbaum“. Dieses musste der Theologe noch umschreiben, denn ursprünglich war es ein trauriges Liebeslied, das dem Tannenbaum als treuem, immergrünem Begleiter huldigte und mit der vergänglichen Liebe der Frauen verglich. Anschütz schrieb zwei neue Strophen – und ließ sich dabei von seiner Heimat im Thüringer Wald inspirieren.

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„Alle Jahre wieder“: Trost und Hoffnung in der Weihnachtszeit
Zu Weihnachten 1835 schrieb der Thüringer Pfarrer Wilhelm Hey für den Heiligabend-Gottesdienst ein Gedicht, mit dem er den Familien seiner Gemeinde Trost und Hoffnung spenden wollte. Denn ein verheerender Brand in Ichtershausen hatte viele Familien ins Elend gestürzt.
Das Gedicht „Alle Jahre wieder“ berührte die Menschen tief. Es handelt vom Christkind, das keinen Unterschied zwischen Arm und Reich macht und in jedes Haus einkehrt und es segnet. Die Melodie zu Heys Gedicht wurde erst später dazu geschrieben – heute ist „Alle Jahre wieder“ fester Bestandteil des weihnachtlichen Liederrepertoires.
Wilhelm Hey, der als Pfarrer und Lehrer in Thüringen tätig war, ist der Verfasser vieler berühmter Gedichte, Fabeln und Lieder. Außer „Alle Jahre wieder“ stammen auch „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ und „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“ aus seiner Feder.
„Es ist ein Ros’ entsprungen“: kirchliche Komposition, Thüringer Text
Als der gebürtige Thüringer Michael Praetorius 1609 in einem alten kirchlichen Gesangbuch das Lied „Es ist ein Ros’ entsprungen“ fand, war er von dessen Schönheit begeistert. Allerdings: Das Lied wurde in katholischen Kirchen gesungen und pries die Muttergottes. Ein Problem für den protestantischen Komponisten und Organisten. Also schrieb Praetorius das Lied kurzerhand um und verfasste eine protestantische Textversion mit einem neuen, vierstimmigen Chorsatz. Noch heute zählt diese Fassung zu den bekanntesten Weihnachtsliedern in Deutschland.
Und das ist nicht die einzige Geschichte, die es über das beliebte Weihnachtslied zu berichten gibt. Denn anders als oft gedacht, ist mit „Ros’“ nicht die Christrose gemeint, die bei uns zur Winterzeit blüht, sondern ein „Reis“ – ein kleiner Zweig. Ein Bild aus dem Alten Testament, das für den Messias steht: „Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamme Jesse, und ein Schössling aus seinen Wurzeln wird Frucht bringen.“

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