
Waldbaden in Thüringen: Entspannung im grünen Paradies
Die Sinne öffnen, zur Ruhe kommen, den Alltag vergessen – all das erlebt, wer bewusst in die Atmosphäre eines Waldes eintaucht. „Waldbaden“ heißt der Gesundheitstrend aus Asien, für den auch Thüringens Natur beste Voraussetzungen bietet – immerhin ist knapp ein Drittel der Landesfläche bewaldet. Das Grün der Bäume, die Geräusche und Düfte lassen die Gedanken zur Ruhe kommen und den Körper Kraft tanken. Und wer die neu gewonnene Energie gleich wieder aktiv ausleben will, findet dafür in den Thüringer Wäldern ebenfalls vielfältige Möglichkeiten.
Waldbaden: die Natur als Therapeut
Ein Weltmeister als Waldbademeister: Alexander Rödiger
„In allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch“, so schrieb es Goethe vor fast 300 Jahren an die Wand einer Berghütte auf dem Kickelhahn im Thüringer Wald. Es sind Zeilen aus seinem berühmten Gedicht Wanderers Nachtlied. Nicht jeden inspiriert ein Waldspaziergang gleich zu Weltliteratur, doch besonders in der Romantik waren viele Künstler so angetan wie der große Dichter. Ihre Werke machten den Wald zu dem Sehnsuchtsort, der er bis heute ist. Die therapeutische Wirkung des Waldes aber rückte erst viel später in den Vordergrund.
Waldbaden: die Natur als Therapeut
Der Wald ist ein Tausendsassa: Holzlieferant, Klimaverbesserer und nun auch offiziell Gesundheitstherapeut. Letzteres vor allem für all jene, die regelmäßig ein Waldbad nehmen. Gemeint ist damit nicht etwa das Schwimmen in einem von Bäumen umwachsenen See, sondern das Eintauchen ins Grün eines Waldes, das alle Sinne beansprucht.
Vorreiter des Waldbadens ist Japan. Dort ist „Shinrin Yoku“, das Waldluftbad, schon lange Bestandteil der medizinischen Vorsorge. Anfang der 1980er-Jahre förderte das japanische Landwirtschaftsministerium ein umfassendes Forschungsprogramm, um die gesundheitliche Wirkung von Shinrin Yoku zu belegen. 2006 entstand in Japans Nationalem Erholungswald von Akasawa das erste Zentrum für Waldtherapie und inzwischen bieten japanische Hochschulen sogar die Spezialisierung zum Waldmediziner an.
Auch in Deutschland gewinnt Waldbaden zunehmend an Bedeutung. Doch was ist so besonders daran? Tatsächlich mindert allein der Anblick eines Waldes die Ausschüttung von Stresshormonen, hebt die Stimmung und sorgt für innere Balance. Bei einem Waldbad ist Ruhe das Geheimnis – ruhiges Gehen, ruhiges Atmen, ruhiges Denken. Die Natur mit allen Sinnen bewusst wahrzunehmen, erdet. Denn die vielfältigen Grün- und Brauntöne, der Duft nach Moos und Waldboden, die klare Luft, das weiche Licht, die große Stille – all das tut Körper und Seele gut.
„Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben bewiesen, dass sich Waldbesuche positiv auf Kreislauf, Immunsystem und Psyche auswirken“, so Volker Gebhardt, Vorstand von ThüringenForst. Einen wichtigen Anteil daran hat die bioaktive Luft des Waldes: Überaus sauerstoffreich und mit den ätherischen Wirkstoffen der Bäume angereichert, ist sie eine Wohltat für Bronchien und Lunge. Da trifft es sich gut, dass ein Aufenthalt in der Natur nachweislich die Lust auf Bewegung steigert. Schließlich stärkt diese in jeder Form Herz und Kreislauf.
Waldbesuche wirken sich positiv auf Kreislauf, Immunsystem und Psyche aus.
Das Schöne am Waldbaden ist: Jeder kann es! Vorkenntnisse oder besondere körperliche Fähigkeiten sind nicht nötig, ebenso wenig wie teure Sportgeräte oder eine Clubmitgliedschaft. Und wenngleich es kein strenges Regelwerk gibt, so ist Achtsamkeit doch das zentrale Element von Shinrin Yoku. Dabei können Meditation oder sanfte Bewegungsabläufe aus dem Qi Gong oder Taiji die Wirkung eines Waldbads unterstützen. Wer die wohltuende Auszeit nicht gern allein verbringen möchte, bucht einen Kurs bei einem zertifizierten Waldbademeister oder quartiert sich in einem Hotel oder Resort ein, die das Waldbaden anbieten.
Natur pur: Thüringens Wälder
Thüringen ist mit seinen acht Nationalen Naturlandschaften wie geschaffen für das Waldbaden. Und weil der Aufenthalt in der Natur nachweislich die Lust auf Bewegung steigert, trifft es sich gut, dass die Wälder in Thüringen mehr zu bieten haben als Bäume und frische Luft.
Thüringer Wald
Das gut 1.000 Quadratkilometer große waldreiche Mittelgebirge steht für Thüringen wie die Wartburg oder der Wintersport in Oberhof – beide übrigens auch im Thüringer Wald beheimatet. Darin wechseln sich ausgedehnte Wälder mit blütenreichen Bergwiesen und Hochmooren ab. Bei rund 84 Prozent Waldanteil findet hier wohl jeder sein ruhiges Plätzchen für ein Waldbad. Nicht einmal die Wanderer auf Deutschlands bekanntestem Fernwanderweg, dem Rennsteig ((Auf Rennsteig-Artikel verlinken, sobald dieser überarbeitet und online ist)), stören. Denn entgegen seinem Namen sind die Besucher auf dem fast 170 Kilometer langen Höhenkamm eher entspannt unterwegs – perfekt, um nach einem Waldbad ein Stück mitzuwandern.
Aber auch andere lohnenswerte Ziele haben blumige Namen in diesem Naturparadies: Die Drachenschlucht im Norden, eine schmale Klamm zwischen bemoosten hohen Felsen, die an manchen Stellen nur 68 Zentimeter auseinander stehen. Etwa 30 Kilometer entfernt findet man die Marienglashöhle. Als Europas wohl schönste Kristallhöhle gehört dieses Naturmonument zu den Top-Sehenswürdigkeiten der Region. Die faszinierend glitzernde Formation aus Gipskristallen ist sozusagen das Salz im Badewasser beim Waldbaden im Thüringer Wald.
(Süd-)Harz
In der Region nördlich des Kyffhäusers kann man in purer Waldwildnis baden. Sie beheimatet einen der größten zusammenhängenden Buchenwälder Deutschlands sowie weite Gebiete, in denen die Natur sich selbst überlassen wird. Entspannungsfördernd wirken auch die weiten Aussichten über sanfte Hügel und die verwunschene Karstlandschaft.
Ein bisschen Bewegung tut beim Waldbaden ebenfalls gut und unterstützt die Aufnahme von Sauerstoff. Der Nationalpark Südharz ist von einigen entdeckenswerten Wanderwegen durchzogen. Durch abwechslungsreiche Landschaft erreicht man markante Aussichtspunkte. Trotzdem sind sie immer noch ein Geheimtipp. So kann es vorkommen, dass man sich beim Wandern so unbeobachtet fühlt wie im eigenen Badezimmer.
Thüringer Schiefergebirge
Das Fichtennadelbad ist ein echter Klassiker unter den Badedüften. Im Schiefergebirge kann man seine wohltuende Wirkung direkt aus der natürlichen Quelle genießen. Weitläufige Fichtenwälder charakterisieren das Gebirge im Osten Thüringens. Und: Auch wenn das japanische Shinrin Yoku Waldluftbad heißt, ist das Baden im Wald in dieser Region sogar im Wortsinn möglich – die Gegend wird auch „Land der tausend Teiche“ genannt. Überall plätschern kleine Bäche und der Fluss Saale schlängelt sich von Stausee zu Stausee. Zusammen bilden sie das Thüringer Meer, Europas größtes zusammenhängendes Stauseegebiet mit einer Vielzahl schöner Badestellen.
Ganz gleich ob in Waldluft oder im Wasser: Es empfiehlt sich also, auf den zahlreichen malerischen Wanderwegen des Schiefergebirges immer eine Badehose dabei zu haben. Einen guten 360-Grad-Überblick genießt man vom Saaleturm bei der Ortschaft Burgk. Nur fünf Minuten Fußweg entfernt befindet sich auch das gleichnamige Schloss – ein sehenswerter Abstecher, bei dem man sich auf der Schlossterrasse stärken kann.
Hainich
Im 130 Quadratkilometer großen Laubwaldgebiet des Hainich fanden schon unsere frühesten Vorfahren Schutz und Geborgenheit. Er gilt als einer der letzten Urwälder Deutschlands. Auf einem Großteil der Fläche ist die Natur sich selbst überlassen. So konnten hier Mischwälder mit Buchen als prägende Baumart wachsen, die für Mitteleuropa typische Waldform, die man ohne Einfluss des Menschen überall finden würde.
Heutige Generationen suchen im größten zusammenhängenden Laubwaldgebiet Deutschlands vor allem Erholung. Waldbaden ist hier nur eine von vielen Möglichkeiten, eine wohltuende Auszeit vom Zivilisationsstress zu genießen. Neben zahlreichen schönen Wanderwegen gibt es auch einen Baumkronenpfad ((auf Artikel zum Baumkronenpfad verlinken, sobald dieser online ist)), auf dem Besucher direkt durch das Blätterdach spazieren und mehr über die einzigartige Tier- und Pflanzenvielfalt erfahren können.
Unsere Hainich-Shinrin-Yoku-Methode wirkt Stress-Faktoren entgegen, die einem Burnout vorbeugen können.
Wer aber spezielle am Waldbaden interessiert ist, kann sich beispielsweise im WaldResort am Nationalpark Hainich eine Shinrin-Yoku-Woche buchen, die neben achtsamen Wanderungen auch Naturführungen, Meditation und eine bewusste Ernährung beinhaltet. „Unsere Hainich-Shinrin-Yoku-Methode wirkt verschiedenen Stress-Faktoren entgegen, die oft auch einem Burnout vorbeugen können“, erklärt Jürgen Dawo, Gründer des Waldresorts.
Ein weiterer Anziehungspunkt, der bereits seit Vorzeiten bekannt ist, liegt am Nordrand des Hainich. Ein idyllischer Flachsee mit dem etwas undankbaren Namen Opfermoor Vogtei. Woher er stammt, kann man im benachbarten Freilichtmuseum erfahren. Exakt hier befindet sich heute der geografische Mittelpunkt Deutschlands. Und was könnte schöner sein, als bei einem Waldbad im Hainich genau in der Mitte seine eigene Mitte zu finden?
Ob ganz idyllisch im (Süd-)Harz oder mit erfrischender Abkühlung im Schiefergebirge – in Thüringen lässt sich der neue Gesundheitstrend Waldbaden wunderbar ausprobieren. Und eines ist sicher: Wer einmal ein Waldbad genommen hat, wird es wieder tun. Denn zu schön ist das Gefühl, danach erfrischt und aufgeräumt zu sein und neue Energie zu spüren.
Ein Weltmeister als Waldbademeister: Alexander Rödiger.
Hallo Alex. Wie du zum Bob-Weltmeister wurdest, wissen wir. Als Anschieber hast du den Bob beschleunigt. Aber was machst du als Waldbademeister?
Quasi das Gegenteil. Ich entschleunige. Beim Waldbaden geht es darum, zur Ruhe zu kommen und zu entspannen. Und so einen positiven Effekt auf das Immunsystem zu erzielen.
Worin besteht dieser positive Effekt?
Der Blutdruck sinkt und Stresshormone werden abgebaut. Außerdem steigt die Zahl der sogenannten Killerzellen, die zum Beispiel Viren, Bakterien und Krebs bekämpfen.
Wie sieht so ein „Bad“ im Wald aus?
Man fängt damit an, seine Sinne zu schärfen. Zum Beispiel den Tastsinn. Mit der Hand nehmen wir einen Gegenstand ganz anders als mit den Augen wahr. Oder wir konzentrieren uns auf das Gehör und achten darauf, wie der Wald klingt. Eine weitere Übung ist Barfußgehen auf dem Waldboden. Das entspannt den Fuß und den Körper. Auch Kreativität ist Teil des Programms, wenn wir sogenannte Waldbilder legen. Meine beiden Sportlerkollegen Philipp Horn und Johannes Ludwig habe ich da bei ihrem ersten Waldbad langsam herangeführt.
Kann eigentlich jeder waldbaden?
Auf jeden Fall. Waldbaden ist wirklich für jeden geeignet. Vor allem hier bei uns in Thüringen. Nirgends gibt es schönere Wälder.
Das stimmt natürlich. Vielen Dank Alex, für das entspannte Gespräch.
Begleitet die Weltklassesportler Alexander Rödiger, Philipp Horn und Johannes Ludwig zum Waldbaden in den Thüringer Wald.