Ein erstes „Fürstentum“.
Rund 52 Meter im Durchmesser, ca. zehn Meter hoch und etwa 3.950 Jahre alt – das sind die beeindruckenden Daten des Grabhügels, der bereits 1877 im thüringischen Leubingen entdeckt wurde. Damit ist der Leubinger Fürstenhügel die größte noch erhaltene Grabanlage der bronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur und einer der größten Grabhügel Europas.
Die Aunjetitzer lebten um 2.000 v. Chr. vom heutigen Mitteldeutschland bis nach Böhmen, Mähren und Südpolen. Der bekannteste Fund, der dieser Kultur zugeordnet wird, ist die Himmelsscheibe von Nebra, die in Sachsen-Anhalt nahe der thüringischen Grenze gefunden wurde. Sie gehört zu den spektakulärsten archäologischen Entdeckungen der letzten Jahrzehnte und gilt als die bisher älteste Darstellung des nächtlichen Himmels.
Imposante Bauten und beeindruckende Funde.
Aber auch in Thüringen selbst hat die Aunjetitzer Kultur zahlreiche Spuren hinterlassen. Wie das bereits erwähnte Hügelgrab. Die enormen Ausmaße, die aufwendige Konstruktion mit Totenhütte und Grabbeigaben wie etwa Goldschmuck zeugen von der Bedeutung des Bestatteten. Archäologen wie Dr. Mario Küßner, Leiter des Museums für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar, gehen davon aus, dass hier der Herrscher eines sehr frühen Fürstentums seine letzte Ruhe gefunden hat. Dabei dürfte sein Herrschaftsgebiet das gesamte Thüringer Becken mit zehntausenden Bewohnern umfasst haben. Im Museum selbst können Besucher eine Rekonstruktion der fürstlichen Totenhütte und viele weitere Informationen rund um Leubingen entdecken.
Wurde der „Fürst“ schon 1877 gefunden, ergänzte eine weitere archäologische Sensation, die 2011 entdeckt wurde, das Wissen um das Grab von Leubingen und die Aunjetitzer in Thüringen: Beim Bau der Autobahn A 71, die direkt am Fürstenhügel und einer kleinen Ausstellung dazu vorbeiführt, fand man im nahe gelegenen Dermsdorf Reste eines großen Langhauses aus der Bronzezeit. Das fast 500 m2 große Gebäude ist eindeutig mit Sichtachse zum Fürstenhügel gebaut. Waren die Nachfahren des Leubinger Fürsten die Erbauer und ehrten ihn so noch über mehrere Generationen?
Hören Sie jetzt das ganze Gespräch zum Thema „Ein erstes ‚Fürstentum‘“ mit Prof. Dr. Krause und Dr. Küßner.
Dass das Haus in Dermsdorf eine besondere Bedeutung hatte, zeigt auch der Fund von 98 Bronzebeilen in einem Tonkrug, der vor dem Eingang des Langhauses vergraben wurde. In der damaligen Welt ein wahrer Schatz! Doch warum vergrub man die wertvollen Beile? Wollte der Besitzer zeigen, dass er mächtig genug war, derartigen Reichtum aufzugeben? War es ein Depot für Krisenzeiten? Oder ehrte man mit einer solchen Weihegabe die Götter? Diese Fragen können heute kaum noch beantwortet werden. Und so lassen die im Weimarer Museum für Ur- und Frühgeschichte ausgestellten Beile und die vielen weiteren Informationen zum Dermsdorfer Langbau viel Platz für Interpretationen.
400.000 Jahre Menschheitsgeschichte
- unter einem Dach erleben Besucher im Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens.
Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens, Humboldtstraße 11, 99423 Weimar
Öffnungszeiten:
Montag geschlossen
Dienstag 9–18 Uhr
Mittwoch–Freitag 9–17 Uhr
Samstag, Sonntag und Feiertage 10–17 Uhr
Prof. Dr. Johannes Krause
Es ist kein Wunder, dass der gebürtige Leinefelder Prof. Dr. Johannes Krause schon früh seine Leidenschaft für die Archäologie entdeckte. Denn aus dem gleichen Ort stammt Johann Carl Fuhlrott, der Entdecker des Neandertalers. Neben der Archäologie gehört Prof. Dr. Krauses Leidenschaft der Genetik. Im Rahmen seiner Doktorarbeit konnte er beide Leidenschaften verbinden und promovierte bei Svante Pääbo, dem Begründer der Paläogenetik. Heute ist Prof. Dr. Krause, der eine eigene Urmenschgattung entdeckte und wegweisende Forschungsergebnisse zur mittelalterlichen Pest lieferte, Direktor am Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, Autor von Sachbüchern, die zu Bestsellern wurden, und gern gesehener Talkshowgast, der auch ein breites Publikum für die Archäologie begeistern kann.
Dr. Mario Küßner
Für Dr. Mario Küßner besteht der Reiz der Archäologie darin, die Jahrtausende alten Funde auszuwerten und so ein Verständnis der jeweiligen Epoche und nach und nach auch der gesamten Menschheitsgeschichte zu bekommen. Dabei ist es dem Spezialisten für die Stein- und Bronzezeit wichtig, die Erkenntnisse so verständlich aufzubereiten, dass auch Laien sie nachvollziehen können und Spaß an den Funden haben. Wie das geht hat Dr. Küßner z.B. mit der archäologischen Fachplanung des Geländes am „Leubinger Fürstenhügel“ gezeigt, bei dem der Freistaat Thüringen, Autobahnplaner und Rastanlagenbetreiber ein einzigartiges Erlebnis direkt an einer deutschen Autobahn geschaffen haben. Die wichtigste Entdeckung unter seiner Leitung ist neben dem Grab von Apfelstädt das Ensemble von Dermsdorf, das 2011 ausgegraben wurde. Seit Ende 2020 ist Mario Küßner Leiter des Museums für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar. Hier möchte er archäologische Erkenntnisse im anschaulich vermitteln und diese aus dem Museum heraus zu den Menschen bringen.
© TLDA/H. Arnold
Veröffentlicht am:
24.01.2022