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Mit 100 Talern zur Quantenautobahn: Jena ist der Hotspot der Optik

Von medizinischen und industriellen Anwendungen über die Weltraumforschung bis hin zu sicherer Kommunikation: Lichtbasierte Technologien liefern Lösungen für verschiedene Herausforderungen der Menschheit. Besonders viele Innovationen stammen aus Jena. Denn die Universitätsstadt im malerischen Saaletal in Thüringen, auch bekannt als „Lichtstadt“ oder „Optical Valley“, ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts einer der weltweit wichtigsten Standorte für Optik und Photonik.

Als der Handwerker Carl Zeiss im Jahr 1846 mit dem bescheidenen Startkapital von 100 Talern seine erste Werkstatt eröffnete, legte er den Grundstein für die Entstehung eines der führenden Technologieunternehmen der optischen und optoelektronischen Industrie. Zeiss war von dem Ehrgeiz beseelt, Mikroskope zu bauen, die besser und günstiger waren als die der Konkurrenz.

 

Zeiss, Abbe und Schott machen Jena zum internationalen Zentrum für Optik und Photonik

20 Jahre später entwickelte er zusammen mit dem brillanten Physiker Ernst Abbe ein Mikroskop-Objektiv, das für seine herausragende Qualität weltweit bekannt wurde. Das dafür benötigte Spezialglas erhielten sie vom Chemiker und Unternehmer Otto Schott.

Zeiss und Abbe errichteten für Schott in Jena ein glastechnisches Labor, das spätere Glaswerk Schott & Genossen. Damit schufen sie die Basis, auf der sich das einstige Provinzstädtchen zu einem Hightech-Standort von internationalem Rang entwickeln konnte.

  • Otto Schott war Chemiker und Glastechniker.
  • Mini-Satellit soll Quantenkommunikation ins All bringen.

Licht entdecken, Wissen erleben: Das Deutsche Optische Museum in Jena

Ein zentraler Ort, der die lange Tradition optischer Technologien in Jena lebendig hält, ist das Deutsche Optische Museum (D.O.M.). Rund 40.000 Exponate, darunter über 1.000 historische Mikroskope, Teleskope und eine der größten Brillensammlungen Europas, laden die Besucher ein, die faszinierende Geschichte der Optik und Photonik hautnah zu erleben. Derzeit wird das Museum umfangreich umgebaut und 2027 als interaktive Erlebniswelt wiedereröffnet. „Jena ist – und zwar global – der Hotspot der Optik,“ betont Gründungsdirektor Timo Mappes. 

Der Neubau und die Sanierung der denkmalgeschützten Optikerschule wird vom Berliner Studio Qwertz geplant, Architekten, die mehrfach auf UNESCO Welterbestätten Museen errichtet haben. Die neue Fassade aus recyceltem Aluminium und mundgeblasenem Glas wird ein beeindruckendes Lichtspiel erzeugen, das je nach Tageszeit und Betrachterperspektive variiert. Das hier verwendete mundgeblasene Flachglas ist seit 2023 immaterielles Weltkulturerbe. Die Fassade wurde vom Studio Other Spaces, gegründet von Künstler Olafur Eliasson und Architekt Sebastian Behmann, geplant.

Besucher erwartet eine Ausstellung mit über 100 Mitmach-Stationen, an denen sie Experimente selbst durchführen können. Was 1922 als Einrichtung der Carl-Zeiss-Stiftung mit einem Grundstock aus Privatsammlungen gegründet wurde, entwickelt sich zu einem hochmodernen Edutainment-Zentrum.

  • Das Deutsche Optische Museum
  • Neue Fassade aus recyceltem Aluminium und mundgeblasenem Glas

Hohe Dichte von Wissenschaft, Forschung und Industrie

Heute arbeiten und forschen in der Region mehr als 100 Unternehmen und Einrichtungen daran, Licht noch besser in den Dienst der Menschheit zu stellen. Dazu gehören natürlich Zeiss – unter Federführung des Unternehmens entsteht zur Zeit der ZEISS Hightech-Campus – sowie die Konzerne Jenoptik und Schott. Beispiele für jüngere Unternehmen sind LightTrans, das optische Software entwickelt, und asphericon, ein weltweit führender Anbieter von asphärischen Linsen.

Auf Institutsseite haben sich das Thüringer Photonik-Netzwerk OptoNet und Forschungseinrichtungen wie das Abbe Center of Photonics, das Leibniz-Institut für Photonische Technologien, das Helmholtz-Institut und das Fraunhofer IOF im „Optical Valley“ angesiedelt. Gemeinsam mit der Friedrich-Schiller-Universität und der Ernst-Abbe-Hochschule setzen sie die historische Symbiose aus exzellenter Forschung und unternehmerischem Ehrgeiz fort.

Lichtpartikel gegen Hacker: Fraunhofer IOF forscht an Datensicherheit der Zukunft

Das Fraunhofer IOF wurde bereits dreimal mit dem renommierten Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet. Das rund 500-köpfige Team um Leiter Andreas Tünnermann leistet Pionierarbeit entlang der gesamten photonischen Innovationskette – so auch auf dem Gebiet der Quantenkommunikation. Diese Technologie nutzt die besonderen Eigenschaften von Licht auf kleinster Ebene, um Informationen abhörsicher zu übertragen.

Lichtteilchen, die Hackerangriffe und Datenlecks verhindern könnten? Daran zeigt auch die Bundesregierung Interesse. In enger Abstimmung mit europäischen Partnern initiiert sie erste Forschungsprojekte – auch in Kooperation mit dem Fraunhofer IOF. Seit 2019 arbeitet das Institut am Aufbau von QuNET, einem hochsicheren Kommunikationsnetzwerk zwischen mehreren Regierungsstandorten.

  • Hochsichere Kommunikation: das QuNET
  • Verschlüsselte Daten: Quantenkommunikation über Satellitennetzwerke

Knotenpunkt Erfurt: hier entsteht eine Quantenautobahn

Eine Schlüsselrolle spielt das Fraunhofer IOF auch bei der Entwicklung einer „Quantenautobahn“ auf Basis bestehender Glasfaserleitungen. Die erste Teststrecke wurde mit Mitteln des Landes Thüringen zwischen dem Fraunhofer IOF in Jena und dem Fraunhofer-Zentrum in Erfurt aufgebaut. Ein mögliches Anwendungsfeld ist der Austausch von Patientendaten für telemedizinische Software, um die ärztliche Versorgung in ländlichen Regionen zu verbessern. „Auf der zukünftigen Quantenautobahn führt kein Weg mehr an Thüringen vorbei“, so Andreas Tünnermann.

In naher Zukunft sollen die Verbindungen deutschlandweit ausgebaut werden. Dreh- und Angelpunkt aber bleibt das Fraunhofer-Zentrum in Erfurt, nicht zuletzt wegen seiner günstigen geografischen Lage in der Mitte Deutschlands. „Auf der zukünftigen Quantenautobahn führt kein Weg mehr an Thüringen vorbei“, so Tünnermann. Ein Satz, der sicher auch den Herren Zeiss, Abbe und Schott gefallen hätte.

Magazin "Zukunftsfragen"

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Veröffentlicht am:
21.10.2024