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Teddy, Puppe, Baukasten:
Thüringer Wunschzettel mit Geschichte

Teddy statt Tablet, Puppe statt Smartphone, Baukasten statt Spielkonsole – die Wunschzettel der Kinder sahen vor hundert Jahren völlig anders aus. Viele dieser Geschenke wurden damals in Thüringen hergestellt, das in dieser Zeit ein international bedeutender Standort für die Spielzeugproduktion war. Heute vereint Thüringen traditionelle Handwerkskunst mit modernem Design. Hier, wo besondere Weihnachtswünsche wahr werden, entfaltet sich eine einzigartige Verbindung von Geschichte, Qualität und Kreativität.

Willkommen in der „Werkstatt des Weihnachtsmanns“ – Thüringens Spielzeuggeschichte

Thüringen ist seit dem 19. Jahrhundert eng mit der Spielzeugproduktion verbunden. Vor allem die Städte Sonneberg, Waltershausen und Rudolstadt entwickelten sich zu Zentren des Spielzeughandwerks, deren Produkte weltweit gefragt waren.

Sonneberg – die Weltspielwarenstadt

Sonneberg in Südthüringen wurde schon früh als „Werkstatt des Weihnachtsmanns“ berühmt. Über 2.000 Manufakturen produzierten hier Ende des 19. Jahrhunderts etwa ein Fünftel des weltweiten Spielzeugbedarfs – von einfachen Holzspielwaren über Murmeln bis hin zu detailreichen Puppen aus Papiermaché. Eine besondere Innovation war der „Sonneberger Täufling“ von 1851, die weltweit erste Babypuppe. Anfang des 20. Jahrhunderts gesellten sich Plüschtiere und Teddybären „Made in Sonneberg“ hinzu und wurden ebenfalls zu weihnachtlichen Verkaufsschlagern, die Kinderaugen zum Leuchten brachten.

Dass den Arbeitern dabei aufgrund härtester Arbeitsbedingungen selbst nicht weihnachtlich zumute war, sollte dabei nicht verschwiegen werden. Sonneberg war nicht nur ein Ort der Kreativität, sondern auch ein Spiegelbild der Industrialisierung und der damit verbundenen Herausforderungen.

  • Weltbekannt: Playmobil
  • Puppen mit Tradition

Waltershausen – eine Stadt wird zur Puppenstube

Während Sonneberg für die Vielfalt seiner Spielzeuge bekannt war, spezialisierte sich Waltershausen auf Puppen. Angefangen hatte es 1816 mit Johann Daniel Kestner und seinen Papiermaché-Puppen. Ein lohnendes Geschäft, das zu Spitzenzeiten mit bis zu 30 Betrieben viele Nachahmer finden sollte.

Dank immer neuer Ideen setzte die „Riesenpuppenstube“, wie der Schriftsteller August Trinius sie nannte, Maßstäbe in der Puppenfertigung. So sorgte 1890 die erste sprechende Puppe für Aufsehen. Auch wenn in Waltershausen keine Puppen mehr gefertigt werden, den Namen „Puppenstadt“ trägt die Gemeinde noch heute voller Stolz.

  • Einblick in die damalige Werkstatt
  • Die Puppenherstellung war in Waltershausen ein bedeutender Wirtschaftszweig.

Rudolstadt – Heimat der Anker-Bausteine

Wenn um 1900 Kinder unter dem Weihnachtsbaum ihre Geschenke öffneten, war häufig ein Anker-Bausteinkasten darunter – das erste Systemspielzeug der Welt. Eigentlich wurden die bunten Bausteine von den Brüdern Lilienthal entwickelt. Aber da den beiden Flugpionieren eine finanzielle Bruchlandung drohte, verkauften sie ihre Erfindung um 1880 an den Rudolstädter Unternehmer Friedrich Adolf Richter, der sie in kürzester Zeit zu einem weltweit gefragten Spielzeug machte.

Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Bauhaus-Gründer Walter Gropius oder der ehemalige US-Präsident Bill Clinton spielten als Kinder mit den bunten Steinen und schulten so ihre Kreativität. Obwohl ihre Produktion in der DDR endete, kehrten die Bausteine auf Initiative von Prof. Dr. Georg Plenge in den 1990er Jahren zurück. Schnell bildete sich erneut eine weltweite Fangemeinde, die heute wie damals direkt aus Rudolstadt beliefert wird. Am liebsten zur Weihnachtszeit.

  • Ganze 42 in Handarbeit hergestellte Steine zählt „Der Kleine Gernegross“ Anker-Baukasten.
  • Kreatives Spielen mit bunten Bausteinen

Tradition trifft Qualität – Thüringens Spielzeugmacher heute

Die Spielzeugtradition in Thüringen lebt weiter, auch wenn sich die Herstellung seit den Hochzeiten der Massenproduktion stark verändert hat. Heute entstehen in kleinen Werkstätten und Familienbetrieben liebevoll gefertigte Unikate, die sich durch höchste Qualität und Kreativität auszeichnen. In Sonneberg sorgt die Manufaktur Martin Bären dafür, dass der Teddybär als Klassiker nicht in Vergessenheit gerät. In dem Familienbetrieb werden die Plüschfreunde seit vier Generationen in Handarbeit gefertigt und sind am Ende genauso individuell wie ihre späteren Besitzer. Auch die Firma PIKO hält Sonnebergs Ruf als Spielzeugstandort lebendig. Aus dem ehemaligen „VEB Sonni Sonneberg“ hervorgegangen, produziert PIKO heute hochwertige Modelleisenbahnen, die sowohl Kinder als auch Erwachsene begeistern.

Mit Schildkröt produziert Deutschlands ältester noch aktiver Puppenhersteller in Rauenstein bei Sonneberg. Seit 1896 steht das Unternehmen für Puppen von höchster Qualität und setzt heute auf schadstofffreie und nachhaltig produzierte Materialien. Sei es das niedliche „Schlummerle“, das charmante „Schnullerbaby“ oder die elegante „Klassikpuppe Inge“ – Schildkröt bietet zeitlose Geschenke für jeden Geschmack.

Auf über 130 Jahre Spielwarentradition kann die Firma Steiner Plüschtiere aus Georgenthal zurückblicken. 1889 als Puppenfabrik Franz Schmidt & Co. gegründet, produziert sie heute handgefertigte Kuscheltiere. Neben den klassischen Plüschpferden und -katzen bietet Steiners Bonus Collection limitierte Kuscheltiere mit edlen Materialien und ausgefallenem Design. Hier lassen u. a. Erdmännchen „Rüdiger“, Faultier „Felix“ und Ente „Gisela“ Kinderherzen höher schlagen.

Mehr als ein Kindheitstraum: Spielzeug für Kunstliebhaber und Sammler

Andy Warhols Suppendosen, van Goghs Sternennacht, Dalís dahinfließende Uhren und mittendrin Spielzeug aus Sonneberg – Was unglaublich klingt, wurde 2012 wahr. Renate Müllers Rupfentiere schafften es ins New Yorker Museum of Modern Art. Die gelernte Designerin begann in den 1960er-Jahren, reformpädagogisches Spielzeug zu entwickeln. Für ihre Stofftiere füllte sie grob gewebten Rupfen mit Holzwolle und fügte bunte Lederapplikationen hinzu. Die Rupfentiere dienten sowohl zum Kuscheln als auch zum Draufsetzen. Sie wurden zu DDR-Zeiten zunächst als Therapiespielzeug verwendet und fanden erst spät den Weg in die Kinderzimmer. Heute gelten die Tiere unter Sammlern als begehrte Stücke, die mitunter vierstellige Preise erzielen.

Zu höchster Kunstfertigkeit in Sachen Puppen hat es Nicole Marschollek-Menzner gebracht. Die Zwergnase-Puppen der gebürtigen Rauensteinerin sind höchstbegehrt. Das liegt nicht zuletzt an den ausdrucksstarken Gesichtern, die jeder Puppe einen eigenen Charakter geben. Nach dem Studium und einigen Jahren bei einem großen Puppenhersteller in Oberfranken zog es Marschollek-Menzner zurück in ihre Heimat, um hier künstlerisch unabhängig Puppen von höchster Qualität zu produzieren. Mittlerweile hat sie ihr Sortiment um Bären erweitert, die ebenso unverkennbar sind. Sammlern kann man mit beiden zu Weihnachten eine echte Freude bereiten.

Auch die Tilibom-Bären von der Erfurter Krämerbrücke sind wahre Kunstwerke. Mit viel Zeit, Sorgfalt und Hingabe verleiht Andrea Heese-Wagner ihren „beseelten Geschöpfen“ eine besondere Ausstrahlung. Die Künstlerteddys  der ehemaligen Grafikdesignerin, die bereits mehrfach ausgezeichnet wurden, erfreuen sich besonders in der Vorweihnachtszeit großer Beliebtheit.

Thüringens regionale Manufakturen bieten handgefertigte Schätze, die nicht nur Kinder erfreuen, sondern auch Sammler und Kunstliebhaber in ihren Bann ziehen. Wer sich in der Vorweihnachtszeit nach authentischen, zeitlosen Geschenken umsieht, wird hier fündig. Eine Reise durch diese historische Spielzeuglandschaft ist nicht nur eine Entdeckungstour durch eine wertvolle Tradition, sondern auch eine Einladung, das Weihnachtsfest mit einzigartigen Geschenken zu bereichern.