

Von Färberwaid bis egapark: die Geschichte der Gartenstadt Erfurt
Die Geschichte von Erfurt ist eng verbunden mit Pflanzenzucht und Gartenbau. Hier entstanden – und entstehen bis heute – beliebte Gemüsesorten, kamen Gärtnereien zu Weltruhm und brachten die zahlreichen Blumenfelder Erfurt die Bezeichnung „Blumenstadt“ ein. Die Verbindung zum Gartenbau zeigt sich heute an zahlreichen Plätzen der Stadt, von Straßennamen über Denkmäler und Museen bis zu Erfurts Parks und Gartenanlagen. Dabei von besonderer Bedeutung: der egapark Erfurt, der mit Themengärten, Freilandschauen und Pflanzenbörsen zu den größten Gartenparks Deutschlands gehört.
Inhalt
Die Geschichte des Gartenbaus in Erfurt
Das Wirtschaftsleben des mittelalterlichen Erfurt war maßgeblich geprägt von einer Pflanze: dem Färberwaid. Das aus ihm gewonnene Blaufärbemittel galt lange Zeit als wertvolles Handelsgut und brachte die Entwicklung von Weberei und Tuchgewerbe voran. Zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert zählte Erfurt ebenso wie das französische Toulouse zu den wichtigsten Waidstädten Europas, war angesehen und wohlhabend.
Christian Reichert und die Begründung des modernen Gartenbaus
Günstig für die Entwicklung des Gartenbaus waren vor allem die fruchtbaren Böden und guten klimatischen Bedingungen des Thüringer Beckens mit seinen langen warmen Sommern. Beides sorgte dafür, dass sich in und um Erfurt herum die Blumen- und Gemüsezucht etablieren konnte.
Maßgeblich geprägt wurde diese vom Ratsmeister und Gärtner Christian Reichart (1685–1775), der als Begründer des modernen Gartenbaus gilt. Er optimierte Anbaumethoden, züchtete neue Sorten und kultivierte in Thüringens Landeshauptstadt unter anderem Brunnenkresse und den aus Zypern stammenden Blumenkohl. Dank Reichart und seiner immer zahlreicher werdenden Kollegen wurde Erfurt zu einem überregional bekannten Zentrum des deutschen Gartenbaus.
Vom Gartenbau zur Blumenstadt
Namhafte Gärtnereien und Samenzuchtbetriebe wie Chrestensen, Benary oder Haage, die heute weltweit älteste Kakteenzucht, siedelten in Erfurt an. Sie entwickelten innovative Gemüse- und Pflanzensorten wie Sonnenastern oder den Blumenkohl „Erfurter Zwerg“ und erlangten internationales Ansehen.
Schließlich brachten die bunt blühenden Felder in Erfurt und Umgebung der Thüringenmetropole im 19. Jahrhundert den Beinamen „Blumenstadt“ ein. Gartenbauausstellungen wie die „Allgemeine deutsche Ausstellung von Produkten des Land- und Gartenbaues“ (1865), eine Art Ur-BUGA, unterstrichen diesen Ruf.
„Wenn ich noch einmal auf die Welt komme, werde ich wieder Gärtner, und das nächste Mal auch noch.“
Auch das Stadtgrün entwickelte sich. So entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschiedene Parks und Grünanlagen wie der Stadt- und der Nordpark. Veranstaltungen wie „Erfurt blüht“ (1950) oder die „Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder“, die iga (1961), aus der der heutige egapark hervorging, setzten zusätzliche Höhepunkte in Erfurts Gartenbaugeschichte. Mit der Bundesgartenschau 2021 kam ein weiterer hinzu.
Spuren der Geschichte
Erfurts Verbindung zum Gartenbau zeigt sich an vielen Orten der Stadt: Neben den großen Parks und Grünflächen halten Straßennamen wie Waidmühlenweg, Färberwaidweg oder An der Waidwäsche die Zeit des Waidhandels lebendig. Das Reichart-Denkmal bei der Pförtchenbrücke erinnert an den Beginn des Erfurter Erwerbsgartenbaus. Und mitten im egapark befindet sich auch das Deutsche Gartenbaumuseum, das zur Gartenbaugeschichte und zu aktuellen Themen wie Klimawandel oder Biodiversität informiert.
Damit der Gartenbau in Erfurt auch weiterhin Geschichte schreibt, kann man an der Fachhochschule Erfurt übrigens auch Gartenbau studieren – ganz modern, aber mit Tradition.
Naherholung und Blumenpracht: der egapark Erfurt
Der egapark vereint eine einzigartige Vielfalt verschiedenster Gärten und Themen. Hier finden Blumen- und Pflanzenbegeisterte, Spielkinder, Entdecker und Ruhesuchende aller Generationen grüne, bunt-duftende oder auch abenteuerreiche Oasen.
Die Geschichte des Parks reicht weit zurück. Schon vor der iga 1961 („Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder“), aus der nach der Wiedervereinigung der egapark hervorging, wurde das Gelände bereits als Grünfläche und für Gartenschauen genutzt. Als Zeitdokument deutscher Gartenbauarchitektur der 1960er-Jahre steht der Park seit 1992 unter Denkmalschutz.
Wüste und Tropen mitten in der Stadt: das Danakil
Mitten im ergapark treffen zwei Welten aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Wüste und Tropen. Im Danakil präsentieren sich die beiden grundverschiedenen Lebensräume auf 2.070 Quadratmetern als eine zusammenhängende Naturerlebniswelt. Das verbindende Element ist dabei das Wasser: Während es in der Wüste daran mangelt, ist es im Urwald im Überfluss vorhanden. In beiden Gegenden hat die Natur Pflanzen und Tiere hervorgebracht, die sich den jeweiligen Bedingungen angepasst haben.
Anders als in den meisten Tropenhäusern, wo Pflanzen nach geografischen Grundsätzen gezeigt werden, sind sie im Danakil nach ihren Überlebensstrategien gruppiert. So wachsen im Wüstenhaus beispielsweise verschiedene Sonnenflüchter, Schattenmacher oder Wärmeregulierer, präsentieren sich im Tropenhaus Gipfelstürmer, Flutenverteiler oder Schichtarbeiter. Mit seiner ganz eigenen Dramaturgie schafft das Danakil eine Welt, die es so in der Realität nicht gibt.
Besuch im Danakil
Von Wüstenskorpionen und Wüstenameisen über Erdmännchen und Kaktusmaus bis hin zu Schmetterlingen, Wasserschildkröten und verschiedensten Fischen – im Danakil gibt es eine Vielzahl an Tieren zu bestaunen. Auch die Pflanzenwelt kann sich sehen lassen: Im Wüstenhaus findet sich ein beeindruckender Bestand an Kakteen und Sukkulenten und im Regenwaldhaus gedeihen auch Exoten wie der Leberwurstbaum, Mangos, Bananen oder Jackfrucht. Überzeugen Sie sich selbst bei einem Besuch!
Was ist das Geheimnis der Kakteen? Wie überlebt die Fettschwanzrennmaus ohne Wasser? Wo wachsen eigentlich Kletterpflanzen? Mit der Danakil-App können Besucher interaktiv auf Entdeckungstour gehen.
Der Karl-Foerster-Garten im egapark
Er gilt als Pionier der modernen Gartenkunst, züchtete mehrere Hundert Staudensorten und schrieb zahlreiche Bücher: der Gärtner und Schriftsteller Karl Foerster. Ihm zu Ehren gibt es in Deutschland verschiedene Karl-Foerster-Gärten. Einer davon befindet sich im egapark Erfurt. Das ist Thüringen sprach mit Chris Lange, Betriebsleiter des egapark, über diesen besonderen Garten und dessen Namensgeber.
Karl Foerster war einer der bedeutendsten Staudenzüchter des 20. Jahrhunderts. Die nach ihm benannten Gärten zeigen und würdigen sein Schaffen und seine Philosophie. Was ist das Besondere daran?
Chris Lange: Für Karl Foerster stand immer das Zusammenspiel von Farbe, Duft und Optik der Pflanzen im Mittelpunkt – und das zu allen Jahreszeiten. Er führte aus aller Welt Gräser und Farne ein, machte Wildstauden gartenfähig und züchtete zahlreiche Stauden, die besonders widerstandsfähig und winterhart sind. Diese Vielfalt zeigen die Karl-Foerster-Gärten. Es gibt in Deutschland mehrere: in Potsdam in Bornim und auf der Freundschaftsinsel, in Berlin im Britzer Garten und in den Gärten der Welt, im Frankfurter Palmengarten – und natürlich in Erfurt im egapark.
Was zeichnet den Karl-Foerster-Garten im egapark aus?
Chris Lange: Neben der möglichst ganzjährigen Vielfalt und Widerstandsfähigkeit der Stauden propagierte Foerster die Idee eines Schau- und Sichtungsgartens. Im egapark ist das gut zu erkennen, denn hier ist der Karl-Foerster-Garten in weiten Teilen in seinem Ursprungszustand erhalten geblieben. Er gliedert sich in 19 ansteigende Terrassen am Nordhang. Jede dieser Terrassen hat ein eigenes Thema, zum Beispiel Heide-, Stein-, Farn- oder Wassergarten. Außerdem gibt es mehrere Staudenterrassen.
Was können Sie zur Entstehungsgeschichte des Karl-Foerster-Gartens im egapark erzählen?
Chris Lange: Die heute noch vorhandene Gliederung des Geländes geht auf die Gesamtplanung der Gartenschau „Erfurt blüht“ von 1950 zurück. Damals wurde die Fläche zunächst mit verschiedenen Themengärten bespielt und anlässlich der iga 1961 zu den „Gärten der Jugend“ umgestaltet. 1962/63 entstand in diesem Bereich der Karl-Foerster-Garten. Die bauliche und gestalterische Leitung hatte Walter Funcke übernommen, die Pflanzplanung Hermann Göritz. Beide waren langjährige Wegbegleiter Foersters und realisierten diesen Schau- und Sichtungsgarten gemäß seiner Philosophie.
Foersters Stauden- und Pflanzenarrangements haben zum Teil sehr klingende Namen, zum Beispiel „Harfe und Pauke“, „Sonnigmachung“ oder „Erwärmung“. Was hat es damit auf sich?
Chris Lange: Karl Foerster war nicht nur ein begnadeter Staudenzüchter, sondern auch ein großer Gartenphilosoph. Er sagte einmal: „Wer der Gartenleidenschaft verfiel, ist noch nie geheilt worden.“ Dieser Satz beschreibt seine Leidenschaft sehr anschaulich. Foerster züchtete in seinem Leben circa 700 Staudensorten. Ungefähr 370 davon gelangten in den Handel und rund 120 sind heute noch erhältlich. Damit ist er einer der erfolgreichsten und bekanntesten Staudenzüchter der Welt.